ES_25_website.jpg

Die Problemlöser

Aufbau einer Recycling-Infrastruktur

Mehr Menschen + mehr Wohlstand = mehr Müll. Gerade die Plastikverschmutzung hat in den vergangenen Jahren weltweit massiv zugenommen und stellt eine globale Gefahr für die Umwelt dar. International wird der Ruf nach einer Eindämmung des Plastikmülls – nicht zuletzt aufgrund des Schutzes der Weltmeere – immer lauter. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wollen der Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle bis 2040 ein Ende setzen. Damit sind Unternehmen gefragt, die im Bereich Kunststoff-Recycling eine entsprechende Expertise aufweisen. Der ES hat dazu vielversprechende Aktien herausgefiltert.

Bereits in der Ausgabe 21/21 hat der ES unter der Überschrift „Die Plastik-Pandemie“ auf die Gefahren für die Welt durch den Kunststoff-Müll hingewiesen. Und das Problem ist nicht kleiner geworden – im Gegenteil! Nach Prognosen der Industriestaaten-Organisation OECD wird sich die Produktion von Kunststoffen von 2019 bis 2050 verdoppeln und bis 2060 verdrei­fachen. Schon heute enden pro Mi­nute etwa vier Lastwagenladungen Plastikmüll in Flüssen, Seen und Meeren – das sind geschätzt jährlich bis zu 20 Mio. Tonnen.

Von einem „historischen Beschluss“ im Kampf gegen Plastikmüll war die Rede, als sich die Vereinten Nationen im Frühjahr 2022 darauf verständigten, ein globales rechtsverbindliches Abkommen auszuhandeln. Vor wenigen Wochen wurde nun ein erster Schritt getan, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die 169 UN-Mitgliedsstaaten einigten sich auf ein Mandat zur Ausarbeitung eines ersten Entwurfes für das Abkommen. Bis zur nächsten Verhandlungsrunde im November soll der Text vorliegen. Bis 2024 soll eine Konvention erarbeitet werden, in der verbindliche Regeln und Maßnahmen festgelegt werden, die den gesamten Lebenszyklus des Werkstoffes betreffen. Wunsch der UN ist es, die Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle bis 2040 massiv einzudämmen.

Kreislaufwirtschaft wird zum Dreh- und Angelpunkt

Kreislaufwirtschaft und Recycling werden somit eine immer größere Rolle spielen. Auch die EU will Ziele für die Wiederverwendung von Verpackungen vorgeben und den Plastikmüll drastisch eindämmen. Die Verordnung soll die bisherige Richtlinie über Verpackungen und Abfälle ersetzen und damit in vielen Bereichen eine EU-weite Harmonisierung der Vorschriften bewirken. Als Teil des europäischen Green Deals sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 55 % der Kunststoffverpackungsabfälle in der EU recycelt werden. Dies klingt ganz schön ambitioniert, wenn man auf die Forschungsergebnisse der Industrie schaut. Derzeit liegt die globale Recyclingquote gerade einmal bei 9 %. Mit mehr Rohstoffrückgewinnung im industriellen Bereich ließen sich einer Studie zufolge bis 2050 rund 60 % der Kunststoffproduktion durch recycelte Materialien decken, wodurch der Erdölverbrauch um 30 % gesenkt werden könnte. Hier setzt das Weltwirtschaftsforum mit seiner „Low Carbon Emitting Technologies“-Initiative an, welche die Zusammenarbeit im globalen Maßstab fördert, um kohlenstoffarme Technologien für die chemische Produktion, einschließlich der Verarbeitung der Kunststoffabfälle, zu entwickeln. Dazu haben jetzt sieben internationale Chemiekonzerne, unter ihnen Covestro, zusammen mit der niederländischen Forschungseinrichtung TNO die Gründung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums vereinbart. Dort soll an Verfahren gearbeitet werden, um mehr Plastikmüll mit einem geringeren CO2-Fußabdruck zu verarbeiten. Die ersten Aktivitäten werden sich auf die Sortierung, Reinigung und Aufbereitung von Kunststoffabfällen konzentrieren, um sie für weitere Recyclingtechnologien geeignet zu machen.

Der DAX-Konzern hat vor allem Polymerarten im Fokus, die sich bisher kaum oder nur sehr schwierig recyceln lassen. Die Leverkusener setzen in dem Zusammenhang auf die Entwicklung des chemischen Recyclings. Gebrauchter Kunststoff wird in seine chemischen Bestandteile zerlegt, um aus diesen Molekülen neues Material herzustellen. Gelungen ist bereits ein Durchbruch für das chemische Recycling weichen Schaumstoffs für Matratzen. Das neue Verfahren „Evocycle CQ – Mattress“ wird in Leverkusen in einer Pilotanlage weiterentwickelt. Um auch die Wiederverwertung von Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe zu verbessern, ist Covestro außerdem mit einer Neuentwicklung am Start. Dazu hat das Unternehmen ein spezielles Beschichtungsmaterial entwickelt, das zusammen mit der Verpackung recycelt werden kann. Es wird mit Rohstoffen hergestellt, die z.T. auf pflanzlichen Naturfasern basieren.

Europas größte Anlage für chemisches Recycling

Auch Dow Inc. produziert nicht nur Kunststoff, sondern setzt auch auf Kreislaufwirtschaft. Der US-Chemiekonzern und Mura Technology, ein britisches Recyclingunternehmen und Pionier in der chemischen Wiederaufbereitung, bauen ihre bestehende Zusammenarbeit aus. Am deutschen Dow-Standort Böhlen entsteht somit die größte europäische Anlage für chemisches Recycling. Die Inbetriebnahme des Großprojektes ist für 2025 anvisiert. Und dies ist erst der Anfang. In den kommenden Jahren ist eine Reihe von weiteren Anlagen in den USA und Europa geplant. Damit würden bis 2030 insgesamt 600 Kilotonnen pro Jahr an Recyclingkapazitäten entstehen und Dow zum weltweit größten Verwender von Kreislaufmaterial für die Produktion von Polyethylen machen.

Gerade Mehrschichtfolien werden für verschiedenste Verpackungsmaterialien eingesetzt, besonders im Lebensmittelbereich. Genau auf diese Verpackungen hat es auch der europäischen Green Deal abgesehen. Ein Kooperationsprojekt von BASF, Krones, Südpack und Tomra zeigt, dass Mehrschichtverpackungen in industriellem Maßstab trenn- und recycelbar sind und ein solcher Kreislauf in bestehender Anlageninfrastruktur direkt umsetzbar ist.

Aufbereitung von PET-Flaschen – ein Mrd.-€-Markt

Ein Biotech-Unternehmen aus Frankreich schickt sich an, einer der wichtigsten Akteure auf dem weltweiten r-PET-Markt (Die Wiederverwertung von PET-Flaschen) zu werden. In diesem Multi-Mrd.-€-Markt ist Carbios schon unterwegs, seit Wissenschaftler des Unternehmens 2011 Mikroorganismen entdeckten, die mit Hilfe eines Enzyms PET zerlegen, aus denen neuwertiger Kunststoff produziert werden kann. Der zehnjährigen Vorsprung, der durch langlaufende Patente und eine Partnerschaft mit dem Enzym-Spezialisten Novozymes abgesichert ist, sorgt für eine starke Marktposition. Seit Mitte 2022 steht eine Demonstrations-Anlage in der Nähe von Lyon, bis 2025 will das Unternehmen eine industrielle Fabrik an der Grenze zu Luxemburg bauen. Außerdem ist Carbios nach einer Kapitalerhöhung im vergangenen Jahr und dank eines Förderdarlehens auch finanziell gut abgesichert. Die notwendigen Investitionen von 200 Mio. € für die industrielle Fertigung sollen aus Fördergeldern der Politik und möglichen Partnerschaften fließen. Geht alles nach Plan, werden erste nennenswerte Umsätze ab 2025 anfallen. In den darauffolgenden zwei Jahren will das Unternehmen dann profitabel sein, je nachdem, wie schnell die Fabrik ihre volle operative Kraft entfalten kann.

Zur Müll-Vermeidung gehört auch die Suche nach Alternativen. Der Ersatz von Plastikverpackungen ist ein wesentliches Thema der IBU-tec. Neben den Batteriewerkstoffen ist das Glasscoating der zweite wichtige Geschäftsbereich der Firma. Die Konzerntochter BNT ist einer von nur vier Herstellern weltweit (und der einzige in Europa) für einen chemischen Stoff (MBTC), der Glasflaschen und andere Glasbehälter durch Beschichtung widerstandsfähig und kratzfest macht. Das ermöglicht es erst, zum Beispiel Glasflaschen 30 mal oder mehr zu verwenden und so mit einem Pfandsystem Plastikflaschen und andere Verpackungen durch Glas zu ersetzen.

Bei der Kunststoff-Wiederaufbereitung handelt es sich um einen Milliardenmarkt und der Aufbau einer Recycling-Infrastruktur läuft auf vollen Touren. Für Investoren eine attraktive Investmentchance für eine nachhaltige Zukunft!