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US-Notenbank hebt Leitzins

Es ist der größte Zinsschritt seit fast 30 Jahren: Zur Bekämpfung der hohen Inflationsrate erhöht die US-Notenbank ihren Leitzins stark um 0,75 Prozentpunkte. Damit liegt er nun in der Spanne von 1,5 bis 1,75 %, wie die Federal Reserve (Fed) mitteilte. Es ist die dritte Erhöhung des Leitzinses seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie - und der erste Anstieg um 0,75 Prozentpunkte seit 1994. Für gewöhnlich zieht es die Fed vor, den Leitzins in Schritten von 0,25 Prozentpunkten anzuheben. 
Die Fed wird ihre Leitzinsen vermutlich wesentlich deutlicher anheben als bisher geplant. Der Leitzins dürfte Ende 2022 bei etwa 3,4 % liegen, wie aus neuen Projektionen der Zentralbank hervorgeht. Bisher hatte die Schätzung bei 1,9 % gelegen. Ende 2023 wird ein Leitzins von 3,8 erwartet, nachdem bislang ein Zins von 2,8 % prognostiziert wurde. Ende 2024 wird der Leitzins bei etwa 3,4 % gesehen. Auch diese Erwartung liegt deutlich höher als die bisherige. 
Die Fed sagt außerdem in diesem Jahr ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum als noch vor drei Monaten angenommen voraus. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weltgrößten Volkswirtschaft soll demnach um 1,7 % wachsen. Das wären 1,1 Prozentpunkte weniger als noch im März prognostiziert. Die US-Notenbank rechnet im laufenden Jahr auch mit einer höheren Inflationsrate als zuvor angenommen. Die Teuerungsrate soll trotz der geplanten Erhöhungen des Leitzinses 2022 durchschnittlich bei 5,2 % liegen. 

Der Druck auf die Notenbank ist derzeit groß: Die Teuerungsrate ist so hoch wie seit rund vier Jahrzehnten nicht mehr, was die Kaufkraft der Verbraucher schmälert; die Menschen können sich bei gleichem Einkommen weniger leisten. Die Fed setzt zur Eindämmung der Inflation auf Erhöhungen des Leitzinses. Dadurch verteuern sich Kredite, was die Nachfrage ausbremst. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum. 
Für die Notenbank ist es daher ein Balanceakt: Sie will die Zinsen so stark anheben, dass die Inflation ausgebremst wird - ohne dabei gleichzeitig Konjunktur und Arbeitsmarkt abzuwürgen und eine Rezession auszulösen. 
Wegen der Corona-Krise hatte die Fed ihren Leitzins auf nahe Null gesenkt und Konjunktur und Finanzmärkte mit umfangreichen Notprogrammen gestützt. Die gestiegene Inflationsrate bezeichnete die Fed im vergangenen Jahr noch zumeist als "vorübergehenden" Effekt infolge der Pandemie. Gegen Jahresende leitete sie jedoch die Abkehr von ihrer ultralockeren Geldpolitik ein. Im März erhöhte sie den Leitzins erstmals seit der Pandemie um 0,25 Prozentpunkte. Im Mai folgte angesichts der hohen Inflationsrate ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte, das war die stärkste Anhebung seit 22 Jahren. 
Eine Herausforderung für die Fed ist es, dass sie manche Ursachen der Preissteigerungen nur begrenzt beeinflussen kann. Die Unterbrechungen globaler Lieferketten und steigende Energiepreise reagieren nicht direkt auf den US-Leitzins. Auch die Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Corona-Lockdowns in China kann die Fed nicht kontrollieren. 

Die hohe Teuerungsrate sorgt indes auch im Weißen Haus für Kummer: Viele Wähler machen Präsident Joe Bidens Regierung dafür verantwortlich. Grob gesagt: Je höher die Preise, desto mehr fallen Bidens Umfragewerte. Das macht dem Präsidenten und seinen Demokraten zu schaffen, denn sie bemühen sich bei der Kongresswahl im November, ihre knappen Mehrheiten in beiden Parlamentskammern zu verteidigen.