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Stopp!

Deutschland darf nicht für 750 Mrd. Euro haften!

Seit der Währungsunion zur Einführung des Euro hat die deutsche Regierung den Bürgern schon so manches wirtschaftspolitische Abenteuer zugemutet. Doch jetzt setzt Berlin die Zukunft des Landes aufs Spiel. Entweder verstehen die Berufspolitiker die ökonomischen Zusammenhänge nicht, oder es ist ihnen schlichtweg egal. Dabei brauchen sie nur den Bericht ihres eigenen Bundesrechnungshofes zu den möglichen Auswirkungen der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme von 750 Mrd. Euro der EU-Mitgliedstaaten auf den Bundeshaushalt zu lesen.

Bei Einführung des Euro wurde die Bevölkerung noch mit dem Versprechen einer „No-Bailout“-Klausel beruhigt, die im Wesentlichen besagt, dass kein Staat für die Schulden eines anderen Staates haften soll. Doch bereits beim ersten Testfall wurden diese leeren Versprechen über Bord geworfen. Griechenland sollte unbedingt in der Eurozone gehalten werden und wurde deshalb unter Bruch der dem Euro zugrunde liegenden Verträge vor allem vom deutschen Steuerzahler großzügig unterstützt. Hintergrund waren die umfangreichen Forderungen vor allem französischer Banken an griechische Adressen, die auf diese Weise „gerettet“ wurden. In der Folge wurde auch deutlich, dass bei italienischen Banken vieles im Argen lag, von der exzessiven Staatsverschuldung Italiens ganz zu schweigen.

Das Ergebnis dieser Entwicklungen waren diverse Hilfs- und Rettungspakete der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) mit jeweils wechselnden Namen. Ob EFSF, ESM oder jetzt Corona-Hilfsprogramm – allen ist gemeinsam, dass dreistellige Milliardenbeträge jeweils spielend überboten wurden. Flankiert wurden sie zudem vom Aufbau eines Forderungssaldos in Höhe von neuerdings über 1 Bill. Euro im Verhältnis zwischen der Deutschen Bundesbank und dem Rest des Euro-Systems („Target-Salden“).

Weil das Hineinblasen von immer mehr Fantastilliarden in ein marodes System aber nicht reicht, haben Bundestag und Bundesrat ein weiteres Konstrukt namens „Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz“ verabschiedet. Da es der Öffentlichkeit unter dem Synonym „Corona-Wiederaufbaufonds“ untergejubelt wurde, ist bisher fast unbemerkt geblieben, dass dieses Gesetz für Deutschland im ungünstigsten Fall ein weiteres Haftungsrisiko in Höhe von 750 Mrd. Euro mit sich bringt und somit das Weiterbestehen des Landes in 30 Jahren gefährdet.

Nachdem der Bundestag am 25. März mit 478 von 645 der anwesenden Abgeordneten den Beschluss durchgewunken und ihn der Bundesrat nur wenige Stunden später sogar einstimmig abgenickt hatte, kam dann aus Karlsruhe ein unerwarteter Paukenschlag. Das Bundesverfassungsgericht untersagte Bundespräsident Steinmeier die Unterzeichnung des Gesetzes, nachdem eine Gruppe namens „Bündnis Bürgerwille“ (https://buendnis-buergerwille.de) zusätzlich zu einer Verfassungsbeschwerde noch einen Eilantrag dagegen eingereicht hatte. Ziel der Verfassungsbeschwerde ist die Verhinderung der gemeinsamen Haftung und die Aushöhlung von Vertragsvereinbarungen.

Sie richtet sich also nicht gegen die Corona-Hilfen selbst, sondern allein dagegen, dass Deutschland für Schulden der EU in Milliardenhöhe zusätzlich zur eigenen Rückzahlungsverpflichtung in die volle Haftung für die anderen Länder genommen werden könnte. Und das, obwohl die meisten Gelder davon in die Mittelmeerländer fließen werden.

Auch wenn deutsche Steuerzahler schon mehrfach das Bundesverfassungsgericht wegen der Fantastilliarden-Orgien auf EU-Ebene angerufen hatten, wurde bisher von dort noch nie eine echte Stoppmarke gesetzt. Dass nun das Bundesverfassungsgericht den Bundespräsidenten aber so abrupt ausbremst und ihm vorläufig die Gesetzesausfertigung untersagt, zeigt, dass es sich bei dem Eilantrag nicht um irgendwelche Spinnereien von ewig gestrigen Euroskeptikern handelt. Untermauert wird dies auch durch die Faktenanalyse einer anderen Institution des Bundes, nämlich des Bundesrechnungshofes. Dieser hatte schon am 11. März seinen Bericht zu den möglichen Auswirkungen der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme der EU auf den Bundeshaushalt veröffentlicht: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/sonderberichte/2021/eu-wiederaufbaufonds-darf-keine-dauereinrichtung-werden

Schon das Eingangsstatement des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, ist ungewohnt direkt und zeigt die ungeschminkte Wahrheit: „Der Wiederaufbaufonds organisiert schuldenfinanzierte Transfers zwischen den Mitgliedstaaten. Er etabliert ein Haftungsregime, bei dem die Mitgliedstaaten gegenseitig für Verbindlichkeiten eintreten. Faktisch handelt es sich um eine Vergemeinschaftung von Schulden und Haftung – eine Zäsur für die EU. Garant für die Schulden ist der EU-Haushalt. Für wie viel hiervon ein Mitgliedstaat haftet, bemisst sich damit an seinem Anteil am EU-Haushalt. Wenn andere Mitgliedstaaten ihre Rechnungen am Ende nicht begleichen können oder wollen, haften die restlichen Mitgliedstaaten also anteilig.“ Erstmals in ihrer Geschichte wird die Europäische Union also Anleihen am Kapitalmarkt aufnehmen und den Mitgliedstaaten überwiegend als Hilfsgelder zur Verfügung stellen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Denn mehr als die Hälfte dieser Schulden (390 Mrd. Euro) „werden nicht unmittelbar von den Empfängern, sondern über den EU-Haushalt“ über 30 Jahre getilgt, abgesichert mit einem Garantievolumen von sage und schreibe 4.000 Mrd. Euro!

Da es aber keinen verbindlichen Tilgungsplan gibt, steht gar nicht fest, wer wann welchen Beitrag leistet. Fest steht nur, dass zunächst Deutschland als größter Nettozahler der EU mit 94,3 Mrd. Euro auch den größten Batzen übernehmen muss, selbst 28,4 Mrd. Euro als Zuschuss erhält und somit auf 65,9 Mrd. Euro sitzenbleibt. Fest steht auch, dass bei Ausfall der Rückzahlungen eines der Mitgliedsstaaten dann die übrigen einspringen müssen, und zwar „ohne dass es einer erneuten Einwilligung ihrerseits bedarf“. Wenn also die einen nicht mehr wollen, die anderen nicht mehr können und wieder andere ganz aus der EU ausscheren, könnte am langen Ende Deutschland mit den Rückzahlungen ganz alleine dastehen!

„Die EU-Kommission geht in ihren Berechnungen von falschen Voraussetzungen aus“, heißt es weiter im Bericht. „Überdies ist nicht vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten alle zumutbaren Möglichkeiten zur Selbsthilfe ausschöpfen.“ Denn gerade die aktuellen Bedingungen am Kapitalmarkt ermöglichen es jedem EU-Land, sich auf eigene Rechnung zu verschulden, um seine Corona-Hilfsmaßnahmen zu finanzieren. Eine Ausnahmesituation, die eine Umgehung der Fiskalregeln rechtfertigt, existiert also nicht.

Es ist Verrat an den nächsten Generationen, wenn gewählte Volksvertreter zulassen, dass Deutschland 94,3 Mrd. Euro in den „Corona-Wiederaufbaufonds“ einzahlt, selbst nur 28,4 Mrd. Euro als Zuschuss bekommt und 30 Jahre lang für bis zu 750 Mrd. Euro haftet. Stopp!