New York – Die US-Regierung erwägt, dem Flugzeugbauer Boeing mit einer neuen Vereinbarung einen Prozess zu den zwei tödlichen Abstürzen von Flugzeugen des Typs 737 MAX zu ersparen. Es sei aber noch keine Entscheidung dazu getroffen worden, teilte das Justizministerium in Gerichtsunterlagen mit. Vertreter von Opferfamilien sind gegen eine Einigung und wollen, dass am 23. Juni die Gerichtsverhandlung beginnt.
Bei den Unglücken im Oktober 2018 und März 2019 waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Zentraler Auslöser war eine Assistenzsoftware, die die Piloten unterstützen sollte, aber unter bestimmten Umständen zu stark in die Steuerung eingriff. Mitarbeiter des Flugzeugbauers hatten bei der Zertifizierung des Typs durch US-Behörden spezielle Schulungen für die Software für unnötig erklärt.
Der Konzern vermied seinerzeit eine Strafverfolgung unter anderem mit dem Versprechen, Maßnahmen gegen Betrug und ein Ethik-Programm umzusetzen. Auch zahlte der Konzern eine Strafe von 243,6 Mio. $
Dann kam ein dramatischer Zwischenfall im Januar 2024, bei dem im Steigflug ein Rumpffragment einer so gut wie neuen Boeing herausbrach. Dank der Fähigkeiten der Piloten und glücklicher Umstände wurde niemand ernsthaft verletzt. Das Justizministerium kam danach jedoch zu dem Schluss, dass Boeing Auflagen aus der Vereinbarung zu den beiden MAX-Abstürzen verstoßen hatte und nahm das Strafverfahren wieder auf.
Im Juli 2024 bekannte sich Boeing daraufhin schuldig, die US-Regierung bei der Zertifizierung von Flugzeugen betrogen zu haben. Das öffnete die Tür für eine neue Einigung, die unter anderem eine neue Millionenstrafe sowie einen Aufpasser des Justizministeriums für den Konzern vorsah. Familien von Opfern der Abstürze kritisierten den Deal heftig und forderten Milliardenstrafen sowie andere Konsequenzen für Boeing. Der zuständige Richter in Texas lehnte die neue Vereinbarung jedoch ab.
Die Regierung informierte die Angehörigen der Absturzopfer dem Gerichtsdokument zufolge in der vergangenen Woche über die neuen Gespräche mit Boeing. Bei dem Treffen hätten Vertreter der Opferfamilien Widerstand gegen eine Absage des Prozesses angekündigt, hieß es.
Der Flugzeugbauer stand indes bereits einige Tage zuvor in den Schlagzeilen – hier allerdings aufgrund eines Großauftrags aus Katar: Die arabische Fluggesellschaft Qatar Airways will nach Angaben der US-Regierung bis zu 210 Jets von Boeing kaufen. Der Deal für Maschinen der Typen 787 Dreamliner und 777X habe ein Volumen von 96 Mrd. $, teilte das Weiße Haus mit. Es sei die bisher größte Bestellung von Boeing-Großraumflugzeugen.
Die Unternehmen unterzeichneten die Vereinbarung beim Besuch von US-Präsident Donald Trump in Katar. Für Boeing war Firmenchef Kelly Ortberg dabei. Trump schien zwischenzeitlich das Volumen auf 200 Mrd. $ zu beziffern, bevor das Weiße Haus die Zahl von 96 Mrd. $ nannte. Details zu dem Deal blieben zunächst unklar. Boeing verwies auf die Stellungnahme der Regierung.
Boeing steckt angesichts der tödliche Abstürze und den folgenden Missständen seit Jahren in der Krise. Die Bestrebungen der Trump-Regierung, den Konzern wiederzubeleben, scheinen derweil beinahe gewollt. Ob dies so nachhaltig ist, oder ob hier erneut Bedenken von Experten ignoriert werden, wird sich zeigen. Anleger bleiben hier angesichts der Volatilität zunächst am Boden; (B).