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Bidens Klimapaket

Durchbruch oder „Katalog des Unsinns“?

Es ist nur ein Bruchteil dessen, was Joe Biden ursprünglich haben wollte und doch ist es das größte Klimapaket in der bisherigen US-Geschichte und damit ein politischer Erfolg für den Präsidenten. Aber ist es auch ein Durchbruch bei der amerikanischen Klima- und Sozialpolitik oder nur ein „Katalog des Unsinns“?

Nach monatelangem Hin und Her ist in den USA das Klima- und Sozialpaket von Präsident Joe Biden verabschiedet worden – gegen den Widerstand der Republikaner, die mit ihren Änderungsanträgen die Abstimmung fast 16 Stunden verzögerten und allesamt dagegen stimmten. Daher brauchte es am Ende die Geschlossenheit aller Demokraten plus die Stimme der Vizepräsidentin Kamala Harris, um den Entwurf für das Gesetz „Inflation Reduction Act of 2022“ („Gesetz zur Inflationsminderung“) mit 51 Stimmen und daher mit hauchdünner Mehrheit durchzubringen. Auch der Senator Joe Manchin aus dem Kohle-Staat West Virginia gab nach zahllosen Zugeständnissen letztlich seinen Widerstand auf. Nun braucht es noch die Zustimmung des Repräsentantenhauses, das für Freitag ein Votum angesetzt hat .In dieser Kammer gilt die Mehrheit aber als gesichert. Danach könnte US-Präsident Joe Biden das Gesetz unterschreiben.

„Sehen Sie, dieser Gesetzentwurf ist bei weitem nicht perfekt. Es ist ein Kompromiss. Aber so werden Fortschritte erzielt – durch Kompromisse.“ (Joe Biden,
Präsident der USA)

Von den ursprünglich geplanten 3,5 Bill. Dollar sind am Ende zwar nur noch 433 Mrd. Dollar als Klima- und Sozialinvestitionen geblieben, aber diese Summe schlägt trotzdem alles bisher Dagewesene. Mit dem Geld soll neben der medizinischen Grundsicherung der Bevölkerung vor allem der Ausbau Erneuerbarer Energien gefördert und
die Inflation zurückgefahren werden. 260 Mrd. Dollar sind allein für den Bau neuer Wind-, Solar- und Wasserkraftwerke vorgesehen, 80 Mrd. Dollar als Kaufprämien für Elektroautos sowie für private Solaranlagen. Weitere Subventionen und Steuervergünstigungen gibt es für die Installation von Wärmepumpen, Solarzellen, Induktionsherden und bei der Verbesserungen der Hausisolation. Außerdem soll die Regierung künftig Preise für bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente deckeln können. So müssen Senioren künftig nicht mehr als 35 Dollar pro Monat für Insulin bezahlen.

„Der Senat hat jetzt das bedeutendste Gesetz zur Bekämpfung der Klimakrise aller Zeiten verabschiedet. Und es wird für meine Enkelkinder einen Unterschied machen.“ (Chuck Schumer, Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat)

„Die Treibhausgase bis 2030 um 40 Prozent zu senken, das setze die USA auf einen Pfad, den niemand für möglich gehalten hätte.“ (Senatorin Amy Klobuchar)

Eine neue staatliche „Green Bank“ soll die Investitionen im Energiesektor fördern. Das Programm enthält aber auch Geld für fossile Energieträger, ebenso für die Atomenergie, um die Energiesicherheit zu gewährleisten. So sollen neue Öl- und Gaspachtverträge im Golf von Mexiko und vor der Küste Alaskas erteilt sowie der Bau von Pipelines und Erdgasexportanlagen schneller möglich werden. Ein kluger Schachzug, der die Industrie zu Unterstützern des Gesetzes macht. So unterzeichneten 38 große Wirtschaftsunternehmen (darunter auch die US-Ableger der Ölkonzerne BP und Shell) einen Brief, in dem sie zur schnellen Verabschiedung des Gesetzes aufriefen. Die geplanten Investitionen des Gesetzespakets würden „klimabedingte Risiken in der gesamten Wirtschaft reduzieren und gleichzeitig die Inflation bekämpfen, die Kosten für Familien senken und die Energiesicherheit verbessern“, heißt es darin. Sogar Darren Woods, Vorstandschef von Exxon Mobil, hat den Gesetzesentwurf als „einen Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet.

Finanziert werden sollen die Subventionen unter anderem durch die Einführung einer nationalen Mindeststeuer von 15 % für Unternehmen, die mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn im Jahr erzielen. Steuerschlupflöcher soll es für sie nicht mehr geben. Auf Aktienrückkäufe wird eine einprozentige Abgabe erhoben. Das soll Einnahmen von insgesamt 739 Mrd. Dollar bringen. Stellt man diese gegen die Mehrausgaben in Höhe von 433 Mrd. Dollar, bliebe unter dem Strich sogar ein Überschuss, der das Haushaltsdefizit also im besten Fall um 300 Mrd. Dollar entlasten und somit auch die Inflation dämpfen könnte.

Auch für deutsche Konzerne, wie etwa RWE oder der Turbinenhersteller Siemens Gamesa, die in den USA engagiert sind und weiter investieren wollen, ist das Paket bedeutsam. Es ist nicht nur ein Bündel von Anreizen, um die Nutzung von Solar-, Wind- und Energiespeichern voranzutreiben, sondern es gibt endlich auch den Energieanbietern in den USA die Sicherheit, die sie benötigen, um langfristig saubere Projekte zu bauen oder zu erweitern.

Obwohl das Gesetz „Inflation Reduction Act of 2022“ einige Kompromisse enthält, wird es die amerikanische Wirtschaft und die seiner ausländischen Partner beflügeln und gleichzeitig den Klimaschutz in den USA einen wichtigen Schritt voranbringen. Der ES wird in den kommenden Wochen darauf eingehen, welche Unternehmen zu den Profiteuren zählen.