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US-Wahlen – Harris-Aktien

Das Erbe von Joe Biden

Donald Trump wähnte sich gegen seinen Konkurrenten Joe Biden nach den ersten Debatten in Sicherheit im Rennen um die US-Präsidentschaftswahl im November – und das wohl auch zu Recht (vgl. u.a. ES 30/24). Doch dann verkündete Biden mehr oder weniger freiwillig, dass er bei der kommenden Wahl doch nicht antreten werde und die Demokraten stellten Vize-Präsidentin Kamala Harris auf. Damit ist nicht nur der Wahlkampf wieder spannend geworden, sondern es lohnt sich auch, ein Blick auf die Profiteure einer weiteren Amtszeit der Demokraten zu werfen.

Es galt beinahe schon als gesichert, dass sich der Republikaner Donald Trump im Rennen um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika gegen seinen Konkurrenten Joe Biden durchsetzen wird. Doch dann machte der derzeitige Präsident den Weg frei für seine Vize Kamala Harris und sorgte damit nicht nur bei den eigenen Parteimitgliedern für Wirbel. Inzwischen ist es offiziell: Die Demokraten haben Kamala Harris als Kandidatin aufgestellt. In aktuellen Wahlumfragen liegt sie zum Großteil sogar leicht vor Donald Trump. Lediglich das Meinungsforschungsunternehmen Rasmussen Reports und Fox News (die bekanntlich zu den Trump-Unterstützern zählen) sehen den Ex-Präsidenten vorne.

Bis November bleibt es also spannend, wer das Rennen macht. Dabei gehen die Meinungen auseinander, welcher Präsidentschaftskandidat besser für die Aktienmärkte wäre. Trump kündigte an, die Unternehmenssteuer auf 15 % setzen zu wollen, nachdem er bereits in seiner 1. Amtszeit den Steuersatz auf 21 (35) % gesenkt hatte. Die internationalen Handelsbeziehungen dürften unter Trump leiden: So kündigte er an, auf die Importe aus allen Ländern einen Zoll von 10 bis 20 % zu erheben. Chinesische Produkte sollen sogar mit einem generellen Schutzzoll von 60 % belegt werden. Die höheren Importpreise dürften derweil auf die Konsumenten abgewälzt werden. Seine geplanten Steuersenkungen will er über zusätzliche Staatsschulden finanzieren, was wie ein permanentes Konjunkturstimulierungsprogramm und preistreibend wirkt.

Harris hingegen will den Mittelstand unterstützen und plant unter anderem eine Anhebung der Unternehmenssteuer auf 28 %. In ihren ersten 100 Tagen will sie zudem eine Neubauoffensive einleiten, um Mietkosten zu senken. Zusätzlich sollen unverhältnismäßige Preissteigerungen auf Lebensmittel gedeckelt werden – ein zweischneidiges Schwert, da so der Konsum zwar angekurbelt wird (vgl. ES 35/24), die Lebensmittelhersteller allerdings wenig erfreut sein dürften. Ebenso wie Joe Biden will sie auf Steuererhöhungen für Privathaushalte bis zu einem Einkommen von 400.000 $ verzichten.

Doch was bedeutet das konkret für die Märkte? Der ES hat sich einmal mehr die Frage gestellt: „Was wäre wenn...“ (vgl. ES 12/24).

  • Infrastrukturprogramm fortsetzen

Die Politik von Joe Biden zeichnet sich vor allem durch Nachhaltigkeit aus. Die Regierung hatte im November 2021 ein umfangreiches Maßnahmenpaket namens Infrastrukturinvestitionsgesetz (Infrastructure Investment and Jobs Act, kurz: IIJA) beschlossen, welches sich aus über 350 Programmen und Einzelmaßnahmen zusammensetzt. Das Gesetz ist mit einer Gesamtfinanzierung von 1,2 Bill. $ für 5 Jahre unterlegt. Die Biden-Regierung steckte allein 110 Mrd. $ in den Ausbau und die Renovierung von Straßen und Brücken, 39 Mrd. $ in den öffentlichen Nahverkehr, 66 Mrd. $ in das Schienennetz und 42 Mrd. $ in Häfen und Flughäfen. Damit ist das Ende der Fahnenstange jedoch noch nicht erreicht. Für die Verteilung der Mittel sind das US-Energieministerium sowie das Transportministerium zuständig. Projektanträge und Ausschreibungsprozesse werden dann auf lokaler bzw. einzelstaatlicher Ebene vergeben. Hier wurden bereits Zehntausende Projekte angeschoben.

Erst Ende Juni wurden 374 Mio. $ für Flugplatz-, Sicherheits- und andere Logistikprojekte an 299 Flughäfen genehmigt. Gerade Infrastrukturwerte wie Caterpillar oder der Eisenbahnkonzern Union Pacific profitieren von diesen Ausgaben. Seit dem Beginn der Amtszeit von Joe Biden summierte sich das Kursplus von Januar 2021 bis Anfang September 2024 auf knappe 77 % bei Caterpillar und in der Spitze auf 26 % bei Union Pacific. Allen voran Caterpillar, der größte Hersteller von Baumaschinen, gilt auch weiterhin als Profiteur der Modernisierung der Straßen (vgl. ES 33/24).

Das Programm läuft bis Ende 2026, und Kamala Harris dürfte es zumindest fortsetzen. Im Zuge dessen kündigte sie bereits an, neuen Wohnraum schaffen zu wollen. Auch hier stehen dann gerade Baukonzerne wie Caterpillar mit den notwendigen Baumaschinen oder auch Jacobs Solutions als Ingenieur- und Bauunternehmen in den Startlöchern. Das Unternehmen hat ebenfalls bereits von den Programmen der Demokraten profitiert und summierte das Kursplus seit Bidens Amtsantritt auf etwa 31 %.

  • Umweltschutz im Blick

Mit dem Fokus der Politik auf Nachhaltigkeit geht auch der Umweltschutz einher. Da Harris bereits bei ihrer ersten Präsidentschaftskandidatur 2019 eine ehrgeizigere Klima-Agenda vorwies, dürfte sie die Bemühungen ihres Vorgängers Joe Biden in den kommenden vier Jahren mindestens fortsetzen. Historisch gesehen zählen die USA zu den größten Klimasündern, allen voran die Energiebranche sowie die Automobilindustrie. Mit dem Mitte August unterzeichneten Inflation Reduction Act of 2022, welcher vor allem die steigende Inflation bekämpfen, aber die USA auch klimafreundlicher aufstellen soll, wurde hier ein Grundstein gelegt. Neben Investitionen von 160 Mrd. $ in Steuervergünstigungen für saubere Elektrizität, sind allein 36 Mrd. $ für Steuervorteile für saubere Kraftstoffe und Fahrzeuge vorgesehen.

Trump hingegen hatte zunächst angekündigt, die Steueranreize für E-Autos (bis zu 7.500 $ für den Kauf eines Elektroautos) zu prüfen bzw. abzuschaffen. Allerdings ruderte er nach seinen Gesprächen mit Tesla-Chef Elon Musk bereits wieder zurück: Ich bin für Elektroautos! Ich muss es sein, wisst ihr, Elon hat mich sehr stark unterstützt. Ich habe keine andere Wahl“, sagte er in Atlanta. Wie sich die E-Mobilität unter Trump entwickeln wird, steht also noch in den Sternen. Harris hatte bereits 2019 einen 10-Mrd.-$-Plan vorgestellt, der die vollständige Umstellung auf E-Autos bis 2035 vorsah. Unter den Demokraten dürften E-Autohersteller wie Tesla, aber auch General Motors (Nummer 2 in den USA), also weiter zulegen.

  • Saubere Energie ist Trumpf

Während Donald Trump eher die Ölproduktion und das umstrittene Fracking fördern will, steht Harris für Umweltschutz und damit auch für Erneuerbare Energie. In den vergangenen Jahren waren die Themen Energie und Klima bereits unter der Biden-Administration wieder in den Fokus gerückt. So traten die USA im Januar 2021, also direkt nach der Vereidigung Bidens, wieder dem Pariser Klimaabkommen bei. Mit dem Inflation Reduction Act wurden zudem Anreize geschaffen, in die Erzeugung sauberer Energie zu investieren. Ein Paradebeispiel in diesem Segment ist First Solar. Das Photovoltaikunternehmen stellt Cadmiumtellurid-Dünnschicht-Solarmodule her. In der Zeit der Präsidentschaft Joe Bidens verzeichnete der Konzern zwischenzeitig einen Kursanstieg von sage und schreibe 196 %. Da es in den vergangenen Monaten allerdings nach einem so gut wie eindeutigen Wahlsieg Trumps aussah, gerieten alle Branchenwerte unter Druck. Allein First Solar büßte zeitweise 29 % ein.

Kamala Harris setzte sich in ihren Jahren als Staatsanwältin, US-Senatorin und zuletzt natürlich als Vizepräsidentin für den Klimaschutz und grüne Energie ein. Sie gründete im Jahr 2005 nach eigenen Angaben die erste Einheit für Umweltgerechtigkeit in den USA. Während ihrer Amtszeit und als Generalstaatsanwältin von Kalifornien, einem der „grünsten“ Staaten der USA, ging sie nach einer Ölverschmutzung gegen Plains All-American Pipeline vor und erwirkte 2015 eine Anklage. Zudem war sie federführend bei dem 86
Mio. $-schweren Vergleich rund um den VW-Dieselskandal. Sie war auch eine frühe Unterstützerin und Fürsprecherin des Green New Deals, einem Vorläufer grüner Wachstumspolitiken, die in den USA und auch Europa eingeführt wurden. 2019 war die Klima-Agenda von Harris sogar ehrgeiziger als die von Biden. Sie plante, 10 Bill. $ für die Verringerung von Treibhausgasemissionen auszugeben und 2045 eine emissionsfreie Wirtschaft zu erreichen.   

Es dürfte ihr daher auch in den kommenden Jahren ein besonderes Anliegen sein, Unternehmen wie First Solar, Enphase Energy (verbuchte in der Spitze ein Kursplus von ca. 66 % seit dem 20. Januar 2021) oder Nextera Energy (zwischenzeitiger Kursanstieg seit der Amtseinführung von Joe Biden 11 %) zu unterstützen. Eine Branche aus der eher zweiten Reihe dürfte ebenfalls zu den Profiteuren zählen – Wärmepumpenhersteller. In den vergangenen Jahren rückte die Branche nicht nur in Europa in den Fokus der Aufmerksamkeit. Der Klima- und Heizungskonzern Carrier Global zählt zu den weltweit Größten der Branche und verbuchte von Januar 2020 bis September 2024 ein Kursplus von 76 %. Erst Anfang dieses Jahres hatte Carrier die Übernahme des hessischen Wärmepumpenherstellers Viessmann (größter Produzent in Deutschland) abgeschlossen.

Während der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai im Dezember 2023, bei der etwa 70.000 Teilnehmer präsent waren und Harris die USA vertrat, kündigte sie an, dass die USA bis 2030 ihre Energieeffizienz verdoppeln und die Kapazität für Erneuerbare Energien verdreifachen werden. Entsprechend dürfte der Fokus der Kandidatin der Demokraten weiter auf „Go Green“ liegen.

  • Erschwingliche Gesundheit

Das Gesundheitssystem in den USA steht häufig in der Kritik. Während hierzulande bereits 1883 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht eingeführt wurde, gibt es in den USA erst seit 1965 zumindest eine Minimalversorgung. Mit den Programmen Medicare (welches für Senioren über 65 Jahren gedacht ist) und Medicaid (das bei Menschen unterhalb der Armutsgrenze ansetzt) erhielt wenigstens ein kleiner Teil der Gesellschaft Zugang zu gesundheitlicher Versorgung – wenn auch nicht ausreichend. Denn auch heutzutage sind viele  Amerikaner über ihren Arbeitgeber versichert. Verliert man jedoch seinen Job, ist auch die Krankenversicherung futsch. Daher setzen zumindest Besserverdienende zusätzlich auf private Zusatzversicherungen. Allerdings sind die Prämien oft sehr teuer, und Arztbesuche werden zum Teil nicht vollständig übernommen. 2010 hatte sich die Regierung unter Obama bereits diesem Problem angenommen und den Affordable Care Acts (Obamacare) entwickelt. Hier wurde unter anderem festgelegt, dass Krankenversicherer auf einem speziellen Marktplatz einen Basistarif mit festgelegter Mindestleistung anbieten müssen.

Auch die Biden-Regierung hat sich dafür eingesetzt, den Zugang zu einer bezahlbaren Gesundheitsversorgung zu erweitern. Mit dem Inflation Reduction Act of 2022 (IRA) hat die US-Regierung den Wandel im Gesundheitsystem eingeläutet. Das Programm sieht vor, dass Preissteigerungen bei Arzneien künftig unterhalb der Inflationsrate liegen müssen. Zudem wurden Preissenkungen bei 10 Medikamenten für ältere Menschen ausgehandelt, wodurch in 2026 Senioren um 1,5 Mrd. $ und das System Medicare um 6 Mrd. $ entlastet werden. Seit der Unterzeichnung des IRA am 16. August 2022 sprangen die Kurse der Versicherungskonzerne unter Schwankungen an. Seit der Ankündigung, dass erste Preise erfolgreich verhandelt wurden und Konzerne wie Eli Lilly ihre Preise für häufig verschriebene Insulinformen deutlich senken wollen, ging es für die Aktienkurse der Unternehmen wie UnitedHealth oder Tenet Healthcare teils steil nach oben. Auch wenn sich die Aktienkurse der Versicherer bisher vom Wahlkampf unbeeindruckt zeigten, ist nicht von der Hand zu weisen, dass alleine Tenet Healthcare seit Januar 2021 nicht nur um 237 % zulegen konnte, sondern sich insgesamt auch deutlich schwankungsfreier entwickelte als noch im Zeitraum 2016 bis 2020 unter der Trump-Administration.

Bis zur Wahl im November dürften sich sowohl die „Harris/Biden“-Werte als auch die „Trump-Trades“ sehr volatil zeigen. Die anstehenden Fernseh-Debatten werden die Kurse je nach Ausgang der Streitgespräche immer wieder in die eine oder andere Richtung bewegen. Wer jedoch auf einen Wahlsieg von Kamala Harris setzt, macht jetzt schon sein Kreuzchen auf dem US-Aktienzettel!