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Warum im Streit mit Russland auch die Kohle zählt

Die EU-Staaten haben sich auf ein fünftes Sanktionspaket gegen Russland geeinigt, wovon erstmals auch russische Energielieferungen betroffen sind. Der Beschluss sieht ein Verbot russischer Kohle-Importe vor, für das eine 120-tägige Übergangsfrist vorgesehen ist. Es greift also ab August.

 

WIE WICHTIG IST RUSSISCHE KOHLE FÜR DEUTSCHLAND?

Deutschland ist nach Angaben des Verbands Kohleimporteure (VDKI) und des Bundeswirtschaftsministeriums mit weitem Abstand größter Importeur von Steinkohle in der EU. 2021 wurden etwa 18 Millionen Tonnen aus Russland eingeführt und machten die Hälfte des deutschen Verbrauchs aus. Neben Russland sind die USA, Australien und Kolumbien wichtige Lieferanten, wenn auch nicht von der Bedeutung Russlands. Die eine Hälfte der Kohle wird in Kraftwerken verfeuert, die andere Hälfte in der Industrie wie etwa Stahlwerken eingesetzt. Die heimische Braunkohle wird praktisch ausschließlich für Kraftwerke verwandt. Sie hatte zuletzt einen Anteil von etwa einem Fünftel an der Stromproduktion.

 

UND DIE BEDEUTUNG FÜR DIE EU INSGESAMT?

Der Anteil russischer Kohle an den Kohle-Importen der EU liegt bei etwa 45 %. Bei den Importen von Kraftwerkskohle, die zur Stromerzeugung genutzt wird, kommt russische Kohle auf fast 70 %, wie die in Brüssel ansässige Denkfabrik Bruegel ausgerechnet hat. Zwischen 20 und 30 % der importierten Kokskohle, die zur Eisen- und Stahlproduktion verwendet wird, komme aus Russland.

WIE HABEN SICH DIE DEUTSCHEN IMPORTE ZULETZT VERÄNDERT?

Laut Bundeswirtschaftsministerium hat die Industrie schon reagiert. "Ein Großteil der Kraftwerksbetreiber hat jedoch bereits angefangen, den Einsatz russischer Steinkohle zu reduzieren", heißt es in einem Papier des Ministeriums. "Auch bei den großen industriellen Nutzern von Kohle, insbesondere der Stahlindustrie, erfolgt schon eine Umstellung der Lieferverträge." Daher werde die Abhängigkeit von Russland schon in den nächsten Wochen auf 25 % Importquote halbiert. Bis zum Herbst könne man ganz unabhängig von Russland sein.

 

RESERVEN

Anders als bei Öl und mit den neuen Speicher-Vorgaben beim Gas gibt es bei Kohle bislang keine staatlich organisierte Reserve. Die Bundesregierung treibt laut Wirtschaftsministerium zusammen mit der Bundesnetzagentur und den Kraftwerksbetreibern die Beschaffung und Reservebildung bei Kohle voran. Parallel sei eine Diversifizierung der Kohlelieferketten nötig. Die beste mittelfristige Antwort auf die Importabhängigkeit bleibe aber der Ausstieg aus der Kohle, der schrittweise bis 2030 angepeilt werde.

 

WAS BEDEUTET KOHLE-EMBARGO BIS AUGUST FÜR DEUTSCHLAND?

Der Chef des Vereins der Kohleimporteure, Alexander Bethe, zeigt sich entspannt: "Steinkohleimporte aus Russland können in wenigen Monaten vollständig durch andere Länder ersetzt werden. Insbesondere aus den USA, Kolumbien und Südafrika. Aber auch aus Australien, Mosambik und Indonesien." Russische Steinkohleimporte könnten so viel leichter ersetzt werden als russisches Gas.

Der Energiekonzern EnBW erklärte, dass derzeit die Versorgung weitestgehend normal verläuft. Der Konzern habe Bestände vorrätig, die bereits weit in das laufende Jahr reichten und insofern auch die Strom- und Wärmeversorgung der Kunden absichere. EnBW sei gerade dabei, die Beschaffung aus alternativen Bezugsländern zu beschleunigen. "Daher halten wir die Situation auch bei einem potenziellen Ausbleiben russischer Kohlelieferungen für kontrollierbar."

Auch das Ifo-Institut sieht keinen Grund zu großer Sorge: Beim Strom könnte Steinkohle bei Bedarf durch Braunkohle ersetzt werden, was wiederum kurzfristig Mengen verfügbar machen würde, um Nachfrage in der Industrie zu decken, erklärte Ifo-Forscherin Karen Pittel. "Eine Erhöhung der Kohlepreise aufgrund eines solchen Embargos dürfte eher kurzfristigen Charakter haben."